Sendungsbewusstsein

Kritische Auseinandersetzung mit den Medien

Handke und seine Interviewer Sonntag, 2. September 2007

Filed under: Allgemein — peet @ 21:49 Uhr
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Noch ein Interview mit Peter Handke, in der vergeblichen Hoffnung auf einen Skandal. Zuerst in der Weltwoche (Link), dann in der Frankfurter Rundschau (Link), ohne jegliche Hinweise auf die Quelle. Der Interviewer André Müller wird als eine Berühmtheit eingeführt, er versucht, er tut alles Mögliche, um Handke zu provozieren. Das Resultat ist entlarvend für die Beiden. Der eine macht lauwarmes Boulevard, der andere nennt den ersten den Deppen, macht trotzdem mit. Die eine Zeitung macht auf platt („Ein Idiot im griechischen Sinne“), die andere – auf ernst („Es muss weh tun“). Die einzige Reaktion kam von der FAZ, die allerdings genauso zahnlos ist (Link).

Im Sinne der Beiträge, die Handke in diesem Blog gewidmet wurden, lohnt es sich, nur einige Zitate zu unterstreichen:

[…] das serbische Volk hat doch selbst Milosevic ­abgesetzt und ihn freiwillig an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert.
Man hat ihn abgewählt. Dass man ihn ausgeliefert hat, bleibt eine ewige Schande für Serbien.

Die serbische Schriftstellerin Biljana Srbljanovic sagt, Sie hätten keine Ahnung. Milosevic habe Oppositionelle auf offener Strasse ermorden lassen.
Das stimmt nicht. Es gab eine total freie Presse in Jugoslawien. Aber es gab das Wirtschaftsembargo des Westens, wodurch von selbst mafiose Strukturen entstanden. Diese kleinen Mafia-Gruppen haben sich gegenseitig bekriegt. Wie kann man das mit Milosevic in Verbindung bringen? […] Milosevic war nicht der grosse Schurke, als den man ihn hinstellt. Schauen Sie sich doch einmal an, was der ehemalige Präsident von Bosnien-Herzegowina Izetbegovic in seinem Buch «Die islamische Deklaration» geschrieben hat! Da entwirft er einen islamischen Gottesstaat. Vom früheren kroatischen Präsidenten Tudjman, diesem Faschisten, gibt es noch Schlimmeres. Das sind die wahren Schur­ken. Aber die hat der Westen unterstützt.
[…] Man weiss doch heute oft gar nicht mehr, dass der jugoslawische Sozialismus ein ganz anderer als der sowjetische war. Es war ein utopischer Sozialismus. Obwohl unter Tito auch viel Unrecht begangen wurde, hätte daraus etwas werden können, hätte nicht immer die Wirtschaft das letzte Wort. Der Kapitalismus hat halt gesiegt. Man hat aus einer kulturellen Landschaft, die ich durchaus liebe, aus dem sogenannten Mitteleu­ropa, eine politische Idee gemacht. Das war der Fehler. Heute wollen ja sogar viele Serben, indem sie andauernd Walzer spielen, zu diesem Mitteleuropa gehören. Es ist entsetzlich. Entsetzlich!

Aber Sie sagen doch selbst: «Ich liebe die Wirtschaft.»
Das habe ich in der Neuen Zürcher Zeitung gesagt.

Sind Sie Kapitalist geworden?
Wenn Sie mögen. Aber es stimmt nicht. Alle Hauptwörter, die mit «Ist» enden, treffen nicht auf mich zu. Ich bin ein Freund der Zeitwörter. Sowie Sie auf mich ein Hauptwort anwenden, ist es schon falsch. Sogar das Wort «Autor» oder «Schriftsteller» können Sie streichen. Ich bin kein Schriftsteller, sondern ich schreibe, ich habe geschrieben, ich werde geschrieben haben. […]

Schon 1979 sagten Sie in Ihrer Dankesrede zur Verleihung des Kafka-Preises: «Ich bin, mich bemühend um die Formen für meine Wahrheit, auf Schönheit aus, auf die erschütternde Schönheit, auf die Erschütterung durch Schönheit.»
Schaun Sie, ich habe manchmal in Reden programmatisch etwas von mir gegeben, was ich jetzt nicht mehr so sagen würde. Andere haben sich viel mehr widersprochen, Brecht zum Beispiel. Im Vergleich zu Brecht bin ich, wie man in Österreich sagt, ein «Waserl». […]

Als der vorige Papst starb, der polnische, der ja ganz öffentlich gestorben ist, habe ich gedacht, der wird vielleicht baff sein. Also bei dem habe ich gespürt, dass nach dem Tod nichts kommt.

Und so weiter, es menschelt halt unaufhaltsam. Hat Handke diesen Interviewer verdient? Ich lasse hier aus, wie Müller mit dem Thema Reich-Ranicki umgeht. Wer Lust hat, kann die entsprechenden Stellen in seinem Interview mit diesem über seine Einstellung zu Handke vergleichen. Die hohe Kunst zu menscheln, sozusagen.

 

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