Sendungsbewusstsein

Kritische Auseinandersetzung mit den Medien

Welcher online-Übersetzer ist besser? Sonntag, 29. Juli 2012

Filed under: Blogging,Umfragen — peet @ 23:12 Uhr
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Es sind schon mehr als 500 Postings und mehr als 140.000 Lesungen aufgezählt. Aus diesem Anlass und nicht nur zur allerseitigen Unterhaltung folgt hier eine Umfrage.

Das Thema ist durchaus aktuell und wird uns alle noch sehr lange beschäftigen. Mit welchem translator online werden wir besser bedient?

Google     PROMT     Bing     Babylon     WorldLingo

Mehr habe ich nicht gefunden. Und nicht vergessen, Babel Fish wurde 2012 eingestellt.

 

Holm Putzke hat bis zu NY Times geschafft Samstag, 28. Juli 2012

„The New York Times“ informiert ihre Leserschaft über die Beschneidungsdebatte und bringt eigene Beiträge zum Thema, darunter als erster erschien ein Text von Holm Putzke (am 11.7.2012). Mit dem Titel

Let Boys Decide at 16

Ein Kommentar ist besonders köstlich und wurde auch von der Redaktion favorisiert:

The yiddish word for foreskin is PUTZ…a derogative sometimes used to indicate a stupid person. PUTZKE is the diminutive of the word. Isn’t THAT amusing?!

Mir gefällt’s.

 

Das Sommerloch kann beschnitten werden, aber… Freitag, 27. Juli 2012

…wenn es um die Juden geht, kann ein Sommerloch keine genügende Erklärung sein. Alte und neue Ressentiments kriechen aus allen Löchern. Kein Ende in Sicht. Sehr bezeichnend für die laufende Debatte ist es, dass die Stimmen dafür und dagegen quer durch die üblichen Rechts- und Links-Lager liegen. Zuerst war die Zahl 56% bei den Umfragen, einen Monat später immerhin reduzierte sich diese Zahl auf 46 %. Auch diese Zahl ist noch viel zu groß. Es sind nicht alles judenfeindlich gesinnte Menschen, klar. Es sind aber alles Menschen, die es zulassen, dass die antisemitische Stimmung sich verbreitet und offen ausgetragen wird. Kein Gauck, kaum Stimmen aus der Intelligenzia melden sich zu Wort, nur einmal Merkel mit einer „Komiker-Nation“-kalten Dusche. Dieser Witz bringt viele erst recht auf die Palme. Kein Ende in Sicht.

Bei der Neuen Rechten Stimme, in der „Jungen Freiheit“, die ich normalerweise nicht verlinke und nicht zitiere, wird das Thema zweimal groß behandelt. Hier muss ich annehmen, dass Birgit Kelle denselben Text bei „The European“ und bei JF publiziert hat, fast am selben Tage sogar und ohne Hinweis darauf. Zu dieser Zusammenarbeit sollte man ihr nicht unbedingt gratulieren, aber da muss Birgit Kelle selbst wissen, was sie da tut. Sie verteidigt das Recht auf die religiös motivierte Beschneidung, was bei „The European“ eine aufgeregte Diskussion mit (bis heute) stolzen 135 Kommentaren auslöst. Ein Alexander Wallasch versteht

ehrlich nicht, wie sich überhaupt jemand für eine Beschneidung aussprechen kann: So ein vorsinnflutlicher Schwachsinn und den dann auch noch medizinisch zu argumentieren empfinde ich – sorry – als echte Frechheit. So als würde es sich bei der Vorhaut um einen Weisheitszahn oder so etwas handeln. Hallo? Geht’s noch?

[…] was bitteschön maßen sie sich als Frau an, hier Fürsprecher für Beschneidungen spielen zu wollen?

In der Antwort darauf bringt Birgit Kelle ihre Argumentation auf den Punkt:

Inwieweit dürfen Eltern – ganz egal aus welcher Motivation – über körperliche Eingriffe bei ihren Kindern entscheiden, die in der Regel weitreichende Konsequenzen haben. Gleiches gilt für unterlassene Handlungen der Eltern, die ebenfalls die Gesundheit und die körperliche Unversehrtheit der Kinder betreffen.
Und hier muss man mal völlig losgelöst von Religion und Tradition nüchtern feststellen, dass wir in unserer Gesellschaft sehr viele Eingriffe dulden bis hin zur Entscheidung über Leben und Tod. Wenn wir das Fass also aufmachen wollen und Sie sich gegen Beschneidung aussprechen und es richtig finden, dass dies unter Strafe stehen soll, dann dürfen Sie im Gegenzug auch nicht die Augen vor all den anderen Dingen verschließen. Entweder wir machen das Fass ganz auf, oder wir lassen es zu. Hier aber selektiv einen Tatbestand heraus zu greifen, einfach nur, weil es um Religion geht, ist rechtlich willkürlich.

Alexander Wallasch kommt dann erst richtig in die Fahrt:

Schauen Sie mal auf die einschlägigen Piercing-Seiten. Was Frauen da zu tausenden freiwillig mit diversen Teilen ihrer Vagina anstellen möchte man nie live erleben.

Um seine Haltung deutlicher zu untermauern, bringt der gute Mann auf seiner eigenen Seite eine Menge Wutausbrüche gegen die Beschneidung mit Fotos illustriert zusammen, die einen optischen Druck auf die Leserschaft machen sollen. Was er also bei Frauen nicht live erleben möchte, mutet er seinen Lesern gern zu, sehr konsequent. Eine drastische „Argumentation“, aber eine andere gibt es nicht, wenn man gegen die Juden hetzt (die Kombination des Textes, der „zur Versachlichung und Entschärfung“ beitragen will, und der urologisch entstammenden Fotos macht das klar). Dafür muss allerdings ein Beitrag von RA Heinrich Schmitz geholt werden, der dem Ganzen noch eine juristische Autentizität verleihen soll (in etwa so, wie schon hier gezeigt wurde). Alexander Wallasch kommentiert nicht ohne Hinweis auf den Artikel über seine bescheidene Wenigkeit bei der Wikipedia in einem etwas aufgeregten Deutsch:

Ich verbiete mir übrigens jede Pro-Beschneidungshaltung von Frauen. Die haben dagegen zu sein, oder sich gefälligst rauszuhalten. INkl. Frau Merkel.

Zurück zur JF. Der Artikel von Birgit Kelle ist nur in der Druckausgabe vom 6.7.2012 zu lesen, auf der Seite 2. Der andere Artikel – von Baal Müller – ist online, mit üblichem Wortmüll und der Hetze gegen den Staat, die Regierung sowie „jüdische und muslimische Lobby-Verbände“, mit dem Gruß an die Linke Partei etc. Baal Müller ist sogar netter und süffisanter als Alexander Wallasch:

Die Markierung einer lebenslangen Zugehörigkeit ist ja gerade der Sinn einer irreversiblen, wenn auch physiologisch harmlosen Amputation. Die psychischen Folgen mögen gravierender sein, lassen sich aber schwer nachweisen.

Wie liest sich der Artikel von Birgit Kelle im Kontext dieser Auslassungen? Wie immer bei der JF – als der Beweis der Offenheit und demokratischer Gesinnungsbreite. Kommentatoren sind zufrieden:

[…] die Kolumne von Frau Kelle […] dient der Meinungsbildung im wahren und positiven Sinne. Der Wahrheitsfindung.
Auch Baal Müller macht kein Geheimnis daraus, daß er nicht an ein bleibendes Verbot glaubt.
Ihn stört, wenn ich ihn richtig verstanden habe, zu recht, daß wieder einmal demokratische Regeln gebrochen, die Republik verraten wird.

Und weiter in dem typischen JF-Stil. In einer ähnlichen Form beteiligt sich die Zeitschrift der Neuen Rechten „Sezession“ (im Netz) an der Beschneidungsdebatte. Mit solchen Blüten wie (Martin Böcker):

Die Probleme der Umvolkung, Entchristianisierung und Entortung können nicht mit dem Verbot der Beschneidung gelöst werden und sollten daher nicht als Argument dafür verwendet werden.

Oder im Bezug auf die jüdische Kritik der Debatte:

Das ist mehr als eine Skurrilität: es ist ein schlagendes Beispiel für die identitätsbildende, mythische, erstaunlich hartnäckige Kraft des jüdisch-messianisch-biblischen Narrativs, die in einem gewissen Sinne auch dieselbe ist, die das Abendland über zwei Jahrtausende lang, bis auf den heutigen Tag, in Gang gehalten, ja zu einem erheblichen Grade erschaffen hat.
[…] Diese Entschlossenheit, die Fundamente der eigenen Identität nicht zur Disposition zu stellen, und sei es um den Preis eines irrationalen Beharrens, ist genau das, was den Deutschen abhanden gekommen ist.

Na, das hat Martin Lichtmesz mit Brauvour hinbekommen!
Es lohnt sich jetzt auf dem anderen Ende des politischen Horizonts zu lesen, und zwar bei der „Jungle World“. Im Blog der linken Wochenzeitung schreibt zum Thema Beschneidung Thomas von der Osten-Sacken, und zwar ziemlich aufgeregt. Er belehrt die Rabbiner (Link):

[…] wer argumentiert, ein solcherart verstandenes Recht auf religiöse Selbstbestimmung (Heine, Büchner, Börne, von Feuerbach gar nicht zu sprechen, drehen sich im Grabe um) müsse als oberstes Rechtsgut behandelt werden, öffnet eine Büchse der Pandora, die zu schließen absehbar nicht mehr möglich sein wird.

Und die SPD für die Unterstützung der Rabbiner:

Für so eine Äußerung hätte man unter August Bebel in  Sekundenbruchteilen sein Parteibuch verloren.

Er empfiehlt „71 verschiedene wissenschaftliche Werke“ zu lesen, „die sich mit negativen Folgen männlicher Beschneidung befassen.“

Wer danach ähnlich fundiert darlegen kann, dass all diese Untersuchungen Scharlatenerei sind oder aus völlig marginalen Publikationen stammen, kann guten Gewissens weiter die Position vertreten, Beschneidung habe niemals oder nur in zu vernachlässigend wenigen Fällen nachteilige gesundheitlichen oder psychischen Folgen für den Betroffenen.

Thomas von der Osten-Sacken kommt schnell weiter:

[…] selbst wenn Beschneidung nur in späteren Jahren negative Folgen zeitigen kann, mussten die Richter in Köln so entscheiden, wie sie entschieden haben. Jede Kritik an diesem Urteil wäre dann unlauter und populistisch.
Sollten, und vieles deutet darauf hin, die Mehrzahl der Juden in Deutschland weiter auf Beschneidung bestehen, ließe sich eine vorläufige Lösung finden, die sich etwa am Abtreibungsrecht orientiert, d. h. der Eingriff gilt zwar als illegal wird aber zugelassen.

Weiter zitiert er die Republikaner und es wird ihm bange:

Allerspätestens diese Erklärung der Republikaner also sollte als Alarmzeichen gesehen werden, wie falsch diese Debatte geführt wird und was auf dem Spiel steht.

Er meint hier nicht sich selbst, sondern die Befürworter der Beschneidung! Die machen das falsch. Kommentatoren verstehen den Wink sofort:

Die Idee, dass die Beschneidung illegal sei, aber zugelassen werde. Wo sind denn plötzlich die 71 Gründe, die dagegen sprechen? Jedem von uns ist klar, dass beispielsweise die Klitorektomie eine lebenslange Verstümmelung, ein Instrument der Unterdrückung von Frauen, weiblicher Sexualität und deren Selbstbestimmung mit nicht nur gesundheitlichen und psychischen, sondern auch sozialen Folgen ist – und nicht revidierbar. Die Beschneidung an Jungen, das darf gemutmaßt werden, hat ähnlich eingreifende Folgen – und ist ebenfalls nicht revidierbar. Sie müsste zumindest so lange ausgesetzt werden, bis die Langzeitstudie, die hier vorgeschlagen wird, durchgeführt und ausgewertet wurde. Und dann kann man weitersehen. Was aber auch bedeuten würde: Ein bis zwei Generationen gefährdeter Kinder, denen eine Genitalverstümmelung drohen würde, haben erst mal Ruhe und dürften ihre Vorhaut behalten.

Thomas von der Osten-Sacken widerspricht dem Unfug nicht. Dagegen bekommt er voll die Angst, wenn er Dirk Pilz, Patrick Bahners liest und über die Umwege mitkriegt, dass auch noch Matthias Matussek jetzt dazu kommt. Er sieht schon die Gefahr, dass da (Link)

Kleriker aller Weltreligionen sitzen und Gesetze fortan auf ihre Vereinbarkeit mit der Religion überprüfen.

Zum Glück wird in der Zeitung selbst das Gegenteil von dieser Angstmacherei publiziert, und zwar ein wirklich ausgeglichener und vernünftiger Text. Der Artikel von Alexander Hasgall mit dem Titel „Die Kriminalisierung des Judentums“ gehört mit zu dem Besten, was zum Thema in diesen Wochen gesagt wurde. Sehr gut!

Mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit scheint eine unangreifbare Begründung gefunden worden zu sein, die »Schonzeit« für Juden für be­endet zu erklären. Es gibt in Deutschland offenbar kein größeres Problem als das Recht kleiner Jungen, keine Juden (und Muslime) sein zu müssen. In der »Beschneidungsdebatte« bricht eine antisemitische Rhetorik durch, die man eher bei Rechtsextremen und Islamisten verortet. Den bisherigen Tiefpunkt bildet eine Karikatur auf der Website des Boulevardblatts Berliner Kurier, die im Stürmerstil einen krummnasigen Juden zeigt, der einem Jungen den Penis abschneidet.

[…] Die Beschneidung am achten Lebenstag ist ein zentraler Aspekt der jüdischen Identität. Es ist nicht vorstellbar, dass ausgerechnet Deutsche hier plötzlich eine Praxisänderung erzwingen könnten. Ein Beschneidungsverbot wäre das Ende eines guten Teiles des jüdischen Lebens in Deutschland. Wer ernsthaft ein Verbot der rituellen Beschneidung fordert, muss bereit sein, offen die Verantwortung für dessen Konsequenz zu übernehmen. […] Grundsätzlich ist jede Operation ein Eingriff in die körperliche Integrität einer Person. Dabei ist es egal, ob einem Kind die abstehenden Ohren angepasst werden, ein Muttermal aufgehellt oder die Vorhaut des Penis entfernt wird. Hier manifestieren sich gesellschaft­liche Normen. Bei der Beschneidung geht es um die Norm einer Minderheit, erst dies führte zur Debatte. […] Ivo Bozic hat in seinem Beitrag im Jungle Blog dargestellt, dass Studien, welche die Schädlichkeit der Beschneidung nachweisen, oft von zweifelhafter Motivation und zuweilen auch wissenschaftlich problematisch sind. Sicher gibt es bei einer Milliarde betroffener Männer weltweit auch einige, bei denen die Beschneidung, wie andere Ereignisse im Leben auch, körperliche oder psychische Komplikationen zur Folge hatte, aber dass dies Ausnahmen sind, ist offensichtlich.

Den Kölner Richtern ging es nicht alleine um körperliche Unversehrtheit, sondern auch um das Recht des Kindes, später frei über seine Religionsausübung zu entscheiden. Dieser Freiheitsbegriff ist zutiefst christlich. Während im Judentum Abstammung und nach außen gerichtete Praxis die zentralen Elementen des Glaubens sind, konzentrierte sich das Christentum von Anfang an auf das innere Bekenntnis – und dabei auf die Missionierung. […] Wer glaubt, zwischen dem Judentum und seinen zentralen Traditionen unterscheiden zu können, überträgt die eigene religiöse Sozialisierung auf andere. Und wer in einer christlich dominierten Gesellschaft Judentum und Islam auf Augenhöhe begegnen will, kann deren weithin anerkannte religiöse Praxis nicht ernsthaft mit Genitalverstümmelung an Frauen und der Einführung von Steinigungen gleichsetzen.
Juden sollten sich nicht ausgerechnet von Deutschen ihre angebliche Unzivilisiertheit vorhalten lassen müssen. Es ist nicht Aufgabe der deutschen Öffentlichkeit und Politik, dem Judentum gute Ratschläge zu geben, wie es sich reformieren sollte. Genauso wenig wie krampfhaft im vielfältigen jüdischen Leben der Gegenwart nach ­jenen Strömungen zu suchen, die dem eigenen Weltbild und Religionsverständnis am nächsten kommen. Daher hilft es auch nicht, anonyme Gruppen wie »Jews Against Circumcision« oder rituelle Alternativen zur Beschneidung wie Namensgebungsritu­ale ins Feld zu führen. Wer Antizionisten dafür kritisiert, dass sie Juden ­instrumentalisieren, um sich unangreifbar zu machen, sollte im Hinblick auf die Beschneidung nicht auf dieselbe Art verfahren.
Es gibt keine »unproblematische« Beschneidungskritik. Es ist nachvollziehbar, dass jemand Mühe mit dem Verständnis eines Rituals wie der Beschneidung hat. Die nachträgliche Rationalisierung des Rituals wie der Hinweis auf hygienische Vorteile der Beschneidung hilft hier nicht weiter. Das Unbehagen an der Beschneidung macht niemanden zu einem Antisemiten. Dieses Unbehagen gilt es aber auszuhalten. Faule Kompromisse, wie die gesetzliche Gleichsetzung von Schwangerschaftsabbruch und Beschneidung, wie von Hannah Wettig gefordert (Jungle World 29/2012), bringen die Debatte nicht weiter. Dies würde bedeuteten, das Initiationsritual in Judentum und Islam mit der Abtreibung eines Embryos gleichzustellen. Die Botschaft an die Eltern wäre: Ihr schadet euren Kindern, aber wir erlauben es euch. Dasselbe gilt für die Forderung, die Beschneidung auf Krankenhäuser und Arztpraxen zu beschränken, was einer Kriminalisierung der bisherigen Praxis gleichkommt. Hier gilt es, Stellung zu beziehen. Dabei sollte eine Forderung im Zentrum stehen: für das Recht von Juden und Muslimen, die Beschneidung nach eigenen, traditionellen Regeln weiter zu praktizieren. Auch angesichts der weltweiten Akzeptanz der Beschneidung gilt: Einen deutschen Sonderweg – gerade bei diesem Thema – darf es nicht geben.

25 Kommentare (bis jetzt) zeigen, wie verwirrend dieser Text auf die Leserschaft wirkt, kaum einer versteht den Autor.
Im „Spiegel“-Beitrag von Gunda Trepp heißt es (Link):

Im letzten Jahr mussten im Durchschnitt jede Woche fast drei Kinder in Deutschland sterben, weil sich niemand um sie gekümmert hat oder sie direkter Gewalt ausgesetzt waren. Der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen hat um fast fünf Prozent zugenommen. Als diese Zahlen im Mai herauskamen, haben sich nur wenige Kommentatoren für das Wohl dieser Kinder interessiert. Warum haben nun alle etwas zur Beschneidung zu sagen? Mit 45 Prozent lehnt nahezu die Hälfte der Deutschen eine Beschneidung aus religiösen Gründen ab. Auch aus Gründen des Kinderschutzes. Merkwürdig.

Im „Lindwurm“-Blog wird dasselbe geradeaus und wieder mit großer Empörung ausgesprochen (Link):

Pogromstimmung wabert durch die Zeitungen. Die unselige “Beschneidungsdebatte” lässt alle Dämme brechen und lockt die niederträchtigsten Antisemiten aus ihren Höhlen.

Er zitiert aus den Kommentaren in den österreichischen Zeitungen, brr.
Der Verband der deutschen Journalistinnen sieht dagegen in der Sache nur das Sommerloch, womit wir wieder da sind, wo wir angefangen haben. Die Damen wünschen sich mehr Beiträge, die „federleicht und witzig“ das Thema anschneiden.

 

Die Beschneidungsdebatte stört den gesellschaftlichen Frieden Mittwoch, 25. Juli 2012

Holm Putzke darf für sich die zweifelhafte Ehre in Anspruch nehmen, die Debatte über die Beschneidung maßgeblich zu befeuern. Mit dem Auftritt bei „Anne Will“ und jetzt wieder mit dem Interview für den „Tagesspiegel“ stellt er dies erfolgreich unter Beweis:

Hier definieren die Religionsgemeinschaften, was identitätsstiftend ist. Das allein kann nicht der Maßstab sein. Religionsgemeinschaften stehen ja nicht über dem Recht.

[…] Ich wünsche mir, dass wir differenziert diskutieren und nicht unter der Drohung, dass jüdisches Leben hier nicht mehr stattfinden kann.

[…] An den Genitalien von kleinen Kindern hat niemand etwas verloren.

Der antisemitische Duktus seiner rhetorischen Übungen ist sogar Patrick Bahners aufgefallen. Das soll etwas heißen! Zum Glück gibt es auch andere Meinungen. Schon Ende Juni positionierte sich Hans Michael Heinig (Link):

Liest man die Entscheidung des Landgerichts Köln, verwundert vor dem Hintergrund dieser komplexen Gemengelage die Unbekümmertheit, mit der das Gericht zu Werke geht. Die hier vorgeführte Konzentration auf die rechtstechnischen Fragen ist sicherlich vornehmster Ausdruck eines funktional ausdifferenzierten Rechtssystems; eine gewisse historische und kulturelle Sensibilität, ein Sinn für das, was man mit einem Urteil anrichtet, wünscht man sich aber doch von der Justiz.

[…] Welches Signal geht weltweit davon aus,  dass ausgerechnet in Deutschland nun ein strafrechtliches Beschneidungsverbot bestehen soll? Dass Juden für die Beschneidung Deutschland verlassen müssen, um ihre Religion entsprechend den eigenen Lehren leben zu können? Was sagt die Entscheidung den Muslimen, die in hohem Maße integrationswillig sind, aber bestimmte religiöse Traditionen doch pflegen wollen?

Jetzt gab Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zu (Link):

Meiner Ansicht nach ist das Urteil vom Landgericht Köln im Ergebnis verfehlt. Es berücksichtigt nicht hinreichend die Religionsfreiheit, die ein sehr zentrales Grundrecht ist, das grundsätzlich vorbehaltlos und ohne weitere Einschränkung gewährleistet wird. Darüber hinaus tangiert es auch das allgemeine Grundrecht der Eltern auf elterliche Fürsorge. Dieses umfasst auch das Recht der religiösen Kindererziehung. Diese beiden Grundrechte muss man gegen das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit abwägen.

Das Landgericht hat sehr verkürzt argumentiert. Es hätte berücksichtigen müssen, dass es Juden und Muslimen bei der Beschneidung aus religiösen Gründen nicht nur um eine Frage der Tradition und des Brauchtums, sondern um essentielle Glaubensinhalte geht. Demgegenüber ist die Einwirkung in die körperliche Unversehrtheit geringfügig, wenn die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Deswegen sind im Ergebnis die Grundrechte auf Religionsfreiheit und elterliche Fürsorge eindeutig gewichtiger zu werten. Diese Grundrechte hat das Gericht zwar nicht ignoriert aber in einer verkürzten Abwägung zu Unrecht hintangestellt.

Der Tatbestand der Körperverletzung ist aus rechtlicher Sicht gegeben und wird auch immer gegeben sein. Es ist vielen Laien schwer begreiflich, dass etwa auch jede Impfung eine Körperverletzung darstellt. Sie ist aber nicht rechtswidrig und damit nicht strafbar, wenn eine Einwilligung vorliegt. Sie erfolgt regelmäßig durch den Patienten selbst, bei minderjährigen Kindern durch die Eltern. Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich regelt, dass die Eltern wirksam in eine Beschneidung einwilligen können, ist sie keine rechtswidrige Körperverletzung mehr. Damit wäre eine Beschneidung dann weder für das Strafrecht relevant, noch verstößt ein Arzt gegen seine Berufspflichten. Es geht also über die Frage der Strafbarkeit hinaus darum, ob Beschneidungen rechtmäßig oder rechtswidrig sind.

Für den UN-Sonderberichterstatter über Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, ist „der ätzende, verächtliche Grundton“ der Debatte (Link) ein „Ausdruck von Respektlosigkeit“:

Wir erleben gerade eine neue Bruchlinie in der deutschen Gesellschaft. Das macht mir Sorgen. […] Im herrischen Ton mit dem Strafrecht zu drohen, ist kein geeignetes Mittel, um interne Debatten voranzubringen.

Diese Tage habe ich überwiegend überregionale Zeitungen berücksichtigt. Heute habe ich mir drei Boulevard-Zeitungen angelesen (die alle sich sicher sind , ganz ernsthaft zu sein). Bei dem „Freitag“ kann ich eine merkwürdige Diskrepanz feststellen – zwischen den kleingeistigen redaktionellen Beiträgen (zum Beispiel von Andrea Roedig) und kritischen und gar voluminösen Statements aktiver Blogger (ich meine den unermüdlichen „Ed2Murrow“ mit mindestens vier Texten zum Thema, der nach wie vor mit der vererbten Klientel vom „Politikforum“ Grabenkämpfe führt. Als Beispiele verlinke ich zwei davon).

Beim „Cicero“ wird der Wunsch von Volker Zastrow erfüllt, Irmingard Schewe-Gerigk, die als „deutsche Politikerin bei Bündnis 90/Die Grünen und Vorstandsvorsitzende des Vereins Terre des Femmes“ eingeführt wird, darf im Interview die feministische Position improvisieren, wobei Fragen von Karoline Kuhla besser sind als Antworten. Schewe-Gerigk ist bereit, mit den Juden „über rituelle Ersatzhandlungen“ zu „sprechen“. Großzügig! Davor erhebt sich ihre Stimme viel höher:

Wie wollen Politiker in so einem Schnellschuss etwas regeln, was mit Besonnenheit bedacht werden muss? Über den Ausgleich der unterschiedlichen Rechtsgüter muss man reden und den Menschen sagen: Wir wollen keine Beschneidung.

[…] Alle Experten warnen davor: der Verband deutscher Kinderärzte, Juristen und Juristinnen, Menschen- und Kinderrechtsorganisationen – doch der Bundestag tut so, als würde diese Debatte an ihnen vorbeigehen.

Sie sieht sich für die Debatte gut vorbereitet:

Ich war viele Jahre lang Mitglied der deutsch-israelischer Parlamentariergruppe und sehe, dass diese Eltern Probleme haben. Aber der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit kann nicht der Entscheidung von Religionsgemeinschaften oder Eltern überlassen werden.

Der Text ist frisch und bekam bis jetzt nur 2 Kommentare. Wie kann das sein? Das „Cicero“ will doch auch etwas vom Sommerloch haben. Da ist „The European“ viel weiter. Mehrere Publikationen mit vielen Diskussionen dazu. Mich hat der Ton überrascht, eins zu eins wie beim „Freitag“, die Krankheit breitet sich wohl aus. Heute sagt der Herausgeber und Chefredakteur, Alexander Görlach, eine gut paulinisch fundierte Meinung dazu, was bei einem promovierten christlichen Theologen nicht wundern soll. Er erinnert sich unterwegs an alles mögliche und folgt im Grundtenor und im Stil (paternalistisches „wir“ mit pluralis majestatis) Putzke, das ist bestimmt europäisch von heute (Link):

Bei dem Streit um die Beschneidung stehen sich fundamentale Rechte gegenüber: das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Menschenrecht auf Religionsfreiheit. Von meinem Empfinden her bin ich auf der Seite der Jungen. Ich schenke den Gutachten und Aussagen der Ärzte und Psychologen, die ich im Verlauf der vergangenen Wochen gelesen oder gehört habe, Glauben.

Auf unerfindlichen Wegen weiß Görlach sogar viel mehr:

Die Kontroverse hat in den Gemeinden an Fahrt aufgenommen. Wenn am Ende des Diskurses eine verbindliche Äußerung der religiösen Autoritäten steht, wenn es eine Wahlfreiheit gäbe, die nicht sanktioniert wird, dann ließen sich die Ansprüche des Kindes auf Unversehrtheit mit denen der Religionsfreiheit der Glaubensgemeinschaften miteinander versöhnen.

Der Artikel ist mit der Beschneidung des kleinen Jesus bebildert, wie niedlich!

Ganz am Rande möchte ich noch einen Posting von „lalibertine“ erwähnen, in dem sie sich über Männerpostings dieser Wochen lustig macht. Es wäre sicherlich ganz lustig, wenn es nicht so traurig wäre.

Seit Wochen wird in Deutschland und jetzt gar im gesamten deutschsprachigen Raum der gesellschaftliche Frieden gestört. Wann wird das alles sein Ende haben?

 

Jonathan Sachs über die Beschneidungsdebatte Dienstag, 24. Juli 2012

Erstaunlicherweise wurden Kommentare, die Jonathan Sachs, britischer Großrabbiner seit 1991, zur deutschen Obsession mit der Beschneidung abgegeben hat, nicht ins Deutsche übersetzt. Kluge Journalisten, weitschauende Presseagenturen etc.
Ich will die aus meiner Sicht wichtigsten Fragmente daraus hier zutieren, das wäre das Mindeste. (Vielleicht macht ein Blogger die Übersetzung?)
Am 5.7.2012 wurde sein Text bei „The Jerusalem Post“ online gestellt:

[…]Jews and Europe go back a long way. The experience of Jews in Europe has added several words to the human vocabulary – words like expulsion, public disputation, forced conversion, inquisition, auto-da-fé, blood libel, ghetto and pogrom, without even mentioning the word Holocaust.

That is the past. My concern is with the future. Today the Jews of Europe are asking whether there is a future for Jews in Europe, and that should concern you, the leaders of Europe.

[…]Angela Merkel asked, “What would you like me to do, Chief Rabbi?” I did not have an easy answer for her then. I do now.

It is: reverse, immediately, the decision of the Cologne court that renders Jewish parents who give their son a brit mila, even if performed in hospital by a qualified doctor, liable to prosecution.

[…]The case – like the banning of shechita (ritual slaughter of animals) by the Dutch parliament, now thankfully reversed – illustrates the deep difficulty Jews are facing in Europe today. Both cases initially had nothing to do with Jews. They were directed predominantly against Muslims, whose population vastly outnumbers that of Jews in almost every country in Europe.

They are part of the backlash against the misguided policy, adopted by most European countries in the 1970s, known as multiculturalism. This was meant to promote tolerance.

Its effect was precisely the opposite. It encouraged segregation of ethnic minorities, not integration, and instead of getting people to ignore differences it made an issue of them at every stage.

The Muslim communities of Europe have been in the frontline of both the policy and its discontents. The result has been that in Germany the court, and in the Netherlands the parliament, have sought to ban a Muslim practice, while the Jewish community has suffered collateral damage in both places.

That is part of the problem, but not all of it.

I have argued for some years that an assault on Jewish life always needs justification by the highest source of authority in the culture at any given age. Throughout the Middle Ages the highest authority in Europe was the Church. Hence anti-Semitism took the form of Christian anti-Judaism.

…In the post-enlightenment Europe of the 19th century the highest authority was no longer the Church. Instead it was science. Thus was born racial anti-Semitism, based on two disciplines regarded as science in their day: the “scientific study of race” and the Social Darwinism of Herbert Spencer and Ernst Haeckel. Today we know that both of these were pseudosciences, but in their day they were endorsed by some of the leading figures of the age.

Since Hiroshima and the Holocaust, science no longer holds its pristine place as the highest moral authority.

Instead that role is taken by human rights. It follows that any assault on Jewish life – on Jews or Judaism or the Jewish state – must be cast in the language of human rights.

Hence the by-now routine accusation that Israel has committed the five cardinal sins against human rights: racism, apartheid, ethnic cleansing, attempted genocide and crimes against humanity. This is not because the people making these accusations seriously believe them – some do, some don’t.

It is because this is the only form in which an assault on Jews can be stated today.
That is what the court in Cologne has done. It has declared that circumcision is an assault on the rights of the child since it is performed without his consent. It ignored the fact that if this is true, teaching children to speak German, sending them to school and vaccinating them against illness are all assaults against the rights of the child since they are done without consent. The court’s judgment was tendentious, foolish and has set a dangerous precedent.

In historical context, however, it is far worse. By ruling that religious Jews performing their most ancient sacred ritual are abusing the rights of the child, a German court has just invented a new form of blood libel perfectly designed for the 21st century.

Chancellor Merkel, the answer to your question, “What would you like me to do?” is simple. Ensure that this ruling is overturned, for the sake of religious freedom and the moral reputation of Germany.

Zehn Tage später kam es zu der Resolution des Deutschen Bundestages und Jonathan Sachs kommentierte das (Link):

I am greatly encouraged by Angela Merkel’s swift and decisive response regarding the Cologne court ban on circumcision. She has rightly recognised that this is a fundamental issue of religious freedom that cannot be allowed to go unchallenged. I commend her and the German government for calling for urgent legal certainty on this issue. I was also grateful to receive a response from the German Ambassador to my letter who, echoing the words of Foreign Minister Guido Westerwelle, said that in Germany the freedom to profess a religious creed was inviolable.

Vorerst alles. Ob Dieter Graumann das gelesen hat?

UPDATE: Derselbe Artikel von Jonathan Sachs wurde auch bei „The Huffington Post“ publiziert und bekam dort mehr als 1025 Kommentare!

 

Beschneidung ohne Ende Montag, 23. Juli 2012

Die mediale Landschaft wie die Blogosphäre Deutschlands können sich nicht beruhigen. Gestern kam in der FAZ eine Offenbarung eines „jüdischen Arztes“ zur Bewunderung freigegeben (die britische Telegraph druckte einen Zwillingsbruder dieses Textes, schon wieder mit einem guten Juden als Autor, der diesmal Jake Wallis Simons heißt und sich genauso nicht schämt wie Gil Yaron, dieser wie jener wissen einfach nicht, worüber sie schreiben). Heute beschäftigt sich die FAZ mit demselben Thema in noch zwei Texten. Stefan Schulz beweist seine Belesenheit folgendermaßen:

Nur gesunde Körper werden verletzt.

Patrick Bahners ist zu größeren geistigen Leistungen fähig. Er philosophiert ganz ordentlich, mit für ihn typischen Sprengfallen und Sprüngen:

Es geht um menschenrechtliche Normalität. Der Verweis auf das Verbot der Holocaustleugnung und die von der Bundeskanzlerin zum Element der Staatsräson erklärte Freundschaft mit Israel führt in die Irre. Die Gründe für das schnelle Handeln mit dem Ziel einer Klarstellung des Gesetzgebers fallen nicht zusammen mit den Gründen für das Gesetz.

Sollte die historisch gebotene Rücksichtnahme Deutschlands auf die Juden der Grund für die Verneinung der Strafbarkeit abgeben, wäre die Hinnahme der Beschneidung als Ausnahme charakterisiert. Und damit wäre den Antisemiten Recht gegeben, die die Parole verbreiten, vor dem aufgeklärten Bewusstsein seien die Riten der Juden nicht zu entschuldigen. Der Professor, der Putzke in dessen Assistententagen auf das Beschneidungsthema ansetzte, war durch die Lektüre Necla Keleks darauf gekommen. Wie in der Islamkritik bricht in der Beschneidungsdebatte ein rabiat religionsfeindlicher Zeitgeist durch, der im Internet zu sich gekommen ist. Durch die Meinungsforen wälzt sich eine Flutwelle der Zustimmung zum Urteil aus Köln. Ein bewundernswertes Gespür für die kommunikativen Anforderungen der heiklen Lage, in der sich die deutsche Politik deshalb befindet, spricht aus dem vor ein paar Tagen kolportierten Wort Angela Merkels, Deutschland dürfe nicht zur Komikernation werden: unschlagbar knapp und trocken, wie das „nicht hilfreich“ zur Entzauberung Sarrazins.

Der Sarkasmus der Kanzlerin ist eine Übung des Takts. Ihre drastische Warnung lenkt ab von der wahren Gefahr: Ein deutscher Sonderweg des Beschneidungsverbots müsste in der Welt als Ausdruck eines humanistisch legitimierten Antisemitismus aus schlechtem Gewissen verstanden werden, wie er in den Enthusiasmus für die Sache der Palästinenser eingeht. Wenn es so nicht gemeint gewesen sein soll, dann nimmt man den Mangel an Urteilskraft im Kölner Urteil lieber als grotesken Fauxpas, als Rechenfehler von astronomischem Ausmaß.

Er macht Putzke fertig (deswegen heißt der Artikel „Ein Rechenfehler“):

Im Kleingedruckten eines Artikels in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ ging Putzke nebenbei auf das Gesetz über die religiöse Kindererziehung aus dem Jahr 1921 ein. „Zur damaligen Zeit“, schrieb er, „setzte sich die Bevölkerung mehrheitlich aus Protestanten und Katholiken zusammen. Andere Bekenntnisse spielten in der Lebenswirklichkeit genau genommen keine Rolle.“ Genau genommen! Die ungeheuerliche Gedankenlosigkeit dieses Satzes ist charakteristisch für das unhistorische Denken hinter der Kampagne gegen die Knabenbeschneidung. Putzke projiziert das Ergebnis von Hitlers Vernichtungspolitik zurück auf die Weimarer Republik und bürgert die Juden aus dem nationalen Gedächtnis aus.

Er vergisst aber, wie wir soeben sahen, auch sein Lieblingsthema – die Religionsfeindlichkeit – nicht und macht sich nebenbei lustig über die (nicht vorhandene) „menschenrechtliche Normalität“ für die Juden und für Israel. Am Ende steht Gil Yaron ganz blaß im Schatten von Patrick Bahners, der auf die Gefahren „eines humanistisch legitimierten Antisemitismus aus schlechtem Gewissen“ hinweist. Fronten bewegen sich, wie auch im Fall von Christian Bommarius, der auf einmal den Antisemitismus auch entdeckte.

Viel bescheidener aber sinnvoller geht das Thema Harald Martenstein an:

Nichts, kein Terroranschlag, kein Euro, kein Hunger und kein Krieg, erregt die Deutschen so sehr wie die Vorhaut. Das Volk sagt mehrheitlich: „Na, endlich! Schluss mit der Barbarei!“ Ich habe etwa 500 Volksmeinungen gelesen. Nicht die Mehrheit, aber ein beachtlicher Teil davon ist antisemitisch. Das macht mir mehr Angst als jedes Chirurgenmesser.

In den Kommentaren dazu meldet sich zu Wort ein sympatischer junger Mann, hier mit dem Nicknamen Sebush (eigentlich Sebastian Horndasch), der ehrlich und glaubwürdig seine Lebenserfahrungen mit der jüdischen Community im Blog „Neon“ beschreibt, im guten Ton und mit Verständnis. Fast schon eine Ausnahme in diesen Tagen.

… die Beschneidung der männlichen Vorhaut ist – warum auch immer – ein extrem wichtiger Bestandteil dieser Identität. Der Gedanke, seinen Sohn nicht nach acht Tagen beschneiden lassen zu dürfen, ist eine tiefe seelische Verletzung für alle Juden. Wird der Junge nicht beschnitten, wird seine Identität und die seiner Familie beschnitten.

Klare Worte findet für die bescheuerte Debatte letzter Wochen auch Sina Hawk, eine schreibende Leipzigerin:

Ich bin vollkommen begeistert von dieser Debatte und finde, kommende Generationen sollten auf diesen Schwachsinn hinab sehen und ihn sich als Anekdote erzählen aus einer Zeit, in der jeder meinte, sich überall einmischen zu müssen.

Sehr empört ist zum Beispiel auch „Der Lindwurm“ (Bernhard Torsch aus Kärnten):

Die Beschneidungsdebatte ist, so wie sie geführt wird, natürlich eine antisemitische und antimuslimische. Wenn ausgerechnet ein deutsches Gericht ein Urteil fällt, dass sich massiv negativ auf einen konstituierenden Teil jüdischer Religion, jüdischer Tradition und jüdischer Identität auswirkt, wenn die Nazis darüber jubeln und den Juden bereits eine “gute Heimreise” wünschen und die Hälfte der Deutschen laut Umfragen ganz ähnlich denkt, dann muss doch auch der Dümmste begreifen, dass es hier natürlich nicht um das Selbstbestimmungsrecht von Kindern geht, um Sinn oder Unsinn der Beschneidung, sondern allein darum, den Juden als Barbaren zu verleumden, der böswillig seine eigenen Söhne verstümmelt, während man sich selbst als ganz doll aufgeklärten Humanisten imaginiert, der mit dem Gestus des Kolonialherren angewidert die Bräuche der Primitiven anprangert.

Im Vergleich dazu wirkt auffallend, dass die jüngeren Jünger Broders vollkommen verwirrt sind. So „Aron Sperber„, so auch „Die Menschenrechtsfundamentalisten„. Sie sehen sich jetzt herausgefordert, sich zwischen den Positionen von Broder und Kelek zu entscheiden, und merken nicht, dass es hier keine Entweder-Oder-Frage ist.

 

Ein jüdischer Arzt und ein deutscher Aufklärer Sonntag, 22. Juli 2012

Gil Yaron hat kein Problem damit, sich als „jüdischer Arzt“ zu titulieren. Wolfgang Michal hat Angst vor „dem religiös-reaktionären Rollback“. Die Medienlandschaft wird düsterer.

Yaron beichtet seine Probleme mit der Beschneidung der FAZ und der deutschen Leserschaft. Ein guter Jude ist immer willkommen. Er denkt ja so logisch und baut so tolle Entweder-Oder-Schlussfolgerungen:

Für mich, der nach Israel auswanderte und dort unter Juden lebt, ist es leicht sicherzustellen, dass meine Kinder ihr Judentum auch für weitere Generationen bewahren werden. Andernorts ist dies eine gewaltige Herausforderung. Die Versuchungen sind vielfältig, der Assimilationsdruck ist groß. Was ist leichter und andauernder als durch den kleinen, wenig traumatischen Eingriff sicherzustellen, dass mein Sohn sich mehrmals täglich beim Pinkeln seine Wurzel und eine Erinnerung an seine Herkunft vor Augen und in Händen hält?

Doch dieses Argument degradiert Zugehörigkeit zu einem sofort löslichen Begriff, einem Instant-Kniff, der es uns ersparen soll, Liebe zur jüdischen Tradition durch geduldige Erziehung und das Vorangehen mit eigenem Beispiel zu wecken. Den meisten von uns ist es bequemer, beim Fest des Brith Shrimps zu servieren, als den Schabbat einzuhalten.

So einfach, eben entweder – oder. Da im Laufe des Artikels Yaron vom „jüdischen Arzt“ und deutschen Journalisten zum Ratgeber mutiert, sieht er es als seine Aufgabe zu empfehlen:

 Juden sollten die kommenden 15 Jahre in Deutschland nutzen, um sich zu vergegenwärtigen, warum sie ihre Söhne beschneiden: ob sie das wirklich wollen oder nur aus Angst davor tun, anders zu sein.

Genau hier setzt sein Gegenpart bei den Intellektuellen der carta auch Akzente. Michal sagt das nur deutlicher:

So mag das unveränderliche Merkmal des Beschnittenseins die religiöse Identität eines tapferen Volkes gewahrt haben, doch dieses Ritual war auch immer eine zwanghafte xenophobe Abwehrmaßnahme gegen die „Vermischung“ mit allem Fremden.

Er weiß alles über jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland und kann sowohl Volker Beck als auch Heribert Prantl belehren:

Beck begründet sein Eintreten für die Beschneidung – ebenso wie Prantl – damit, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland weiterhin möglich bleiben müsse. Beide tun gerade so, als sei jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland ohne das Ritual der Kinder-Beschneidung unmöglich.

Warum nur muss ich an dieser Stelle Christian Bommarius zitieren:

Die erregte Debatte um das Recht oder Unrecht der Beschneidung hat Interessantes zutage gefördert: Rund die Hälfte der Deutschen ist davon überzeugt, dass Muslime und Juden ihre männliche Nachkommenschaft vorsätzlich genital verkrüppeln, im zarten (Muslime-) oder zartesten (Juden-) Alter in einem blutigen Akt der Barbarei die Körper der männlichen Jugend irreversibel verletzen und die sexuelle Identität beschädigen.

Das Entsetzen, das dieses archaische Gemetzel in den sanften Gemütern der aufgebrachten Deutschen hervorruft, ist derart gewaltig, Abscheu und Empörung über das im Namen einer Religion begangene Verbrechen sind derart überwältigend, dass die Selbstdisziplin nur zu bewundern ist, mit der die Hälfte der Deutschen jahrzehntelang Entsetzen, Abscheu und Empörung für sich behalten, still gelitten und duldsam geschwiegen hat, bis sie endlich in diesem Sommer ein Urteil der 1. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln aus ihrer stummen Qual erlöste und – in diesem Falle sehr zu Recht – „im Namen des Volkes“ die Beschneidung als rechtswidrige Körperverletzung (vulgo: religiöse Barbarei) in den juristischen Orkus schickte. Seit Generationen hatten Millionen Deutschen offenbar aus ihren Herzen eine Mördergrube gemacht. Jetzt haben sie die Grube geöffnet. Was ein Urteil in Deutschland nicht alles vermag.

Und Dirk Pilz auch:

Die Beschneidungsdebatte zeigt dies wieder einmal: Sie ist ein Kampf unter fundamentalistischen Ahnungslosen, weil es lediglich darum geht,  die verschiedenen, zu bloßen Götzen gewordenen Götter gegeneinander auszuspielen. Vernunft gegen Gott, Recht gegen Ritus.  Bedrohlich für eine demokratische Gesellschaft ist dieser Glaubenskampf, weil sich weder mit Ahnungslosen noch mit Fundamentalisten streiten lässt: Sie haben keine Argumente, sondern nur Meinungen.

Die Dämmerung der Aufklärung ist das, und keine Dialektik…

 

Kein Ende von social media

Martin Weigert sieht bei netzwertig das Ende von social media und stellt die Frage nach dem Web 3.0. Er argumentiert mit Ergebnissen von Google Trends, die er beim Vergleich von zwei Begriffen hinbekommt – Web 2.0. versus social media. Sein Fazit:

Es ist sinnlos, im Vorfeld zu darüber zu spekulieren, wie wir in ein bis zwei Jahren die vor uns stehende Phase des Webs bezeichnen werden. Fakt ist, dass dem Social-Media-Begriff in diesen Tagen die Puste ausgeht.

Was danach kommt, weiß auch Martin Weigert nicht. Er will nur, dass wir uns darüber Gedanken machen. Es kann aber durchaus sein, dass wir dabei nur über Begriffe reden, nicht über Inhalte und Tatsachen. Dieser Austausch kann täuschend wirken.

So sieht seine Gegenüberstellung aus:

Und was passiert, wenn wir jetzt andere Begriffe nehmen? Zum Beispiel, Facebook, YouTube, Twitter? Für die meisten Menschen sind sie ein Inbegriff für das Web 2.0 sowie für die social media:

Wenn wir noch dazu die Lage in den USA und in Deutschland vergleichen? Zum Beispiel, beim Bundesverband Mediale Wirtschaft. Deren 10 Thesen vom April 2012 sehen so aus, als ob die Leute das Thema erst entdecken. Da steht vollen Ernstes:

Die 10 Thesen der Fachgruppe Social Media im BVDW sind kostenlos auf der BVDW-Website als Download verfügbar.

Darunter solche Weisheiten wie:

3. Social Media findet langsam Einzug in die Produktentwicklung

oder

10. Social Media muss seine Effizienz noch stärker beweisen

Und das alles kostenlos! Wow! Ich glaube nicht, dass wir schon am Ende von social media sind.

 

Volker Zastrow als feministischer Vorhautbeauftragter der FAZ

Ich habe diese Tage darauf gewartet, wer als erster Angela Merkel für ihre „Komiker-Nation“-Feststellung angreifen würde. Volker Zastrow hat das doch jetzt als „Kasperkram“ abgetan. In seinem Aufruf an Frauen und Feministinnen, Beauftragte aller Art kann er sich nicht zurückhalten. Es geht doch um das präpotente Präputium, um unsere Kinder, wie sich Leserbriefautoren in allen deutschen Zeitungen echauffieren. Da kann die FAZ am Sonntag nicht schweigen, sie muss mitmachen. Wo ist die Einfühlung? – fragt Volker Zastrow (Link):

Doch für Genitalverstümmelung, gärtnerisch verniedlichend „Beschneidung“ genannt, soll das nicht gelten? Hier soll ausdrücklich als rechtlich „zulässig“ definiert werden, was bei Mädchen als strafbar erachtet wird? So sieht es ein Entschließungsantrag des Bundestages vor. Wo bleibt der Aufschrei all der Gender-Forscher und -Beauftragten, die im ganzen Lande installiert wurden? Es soll doch ausdrücklich ein geschlechtsspezifischer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Jungen normiert werden, nur „unnötige“ Schmerzen sollen ihnen erspart, vermeintlich nötige also offensichtlich auferlegt werden.

Immerhin gibt es bei vielen Grünen und manchen Sozialdemokraten erhebliches Unbehagen. In der Union herrscht Schweigen. Oder man folgt der Kanzlerin, die das alles zu Kasperkram erklärt hat: eine Unverschämtheit, zu entschuldigen nur mit der Sorge, dass Rassisten nun wieder einen Anlass zum Hetzen finden. Allerdings hätte man sich auch mehr Zurückhaltung katholischer Bischöfe und Intellektueller gewünscht. Sie haben genug Anlass, neu über sexuelle Gewalt nachzudenken. Auch, weil die katholische Kirche seinerzeit die „christianisierte“ Mädchenbeschneidung in Afrika verteidigte.

Das sieht nach einer gut angelegten Hetze aus.

 

Ein neues Buch von Michael J. Totten Samstag, 21. Juli 2012

Filed under: Lesefutter — peet @ 16:53 Uhr
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Michael J. Totten gehört zu den besonders lesenswerten Journalisten, er hat eigenen Blick auf die Dinge, einen besonderen Ton und er berichtet vor Ort. Von ihm soll bald ein neues Buch erscheinen, mit dem Titel „Where the West ends„.

Ein düsteres Fragment daraus über die Reise nach Georgien wurde bei der „National Review online“ gestellt.

Einige Leser empören sich, dass es nicht touristisch verlockend aussieht!

 

Neues vom Pallywood Freitag, 20. Juli 2012

Ein neues Kunstwerk aus der Pallywood-Industrie wurde vor zwei Tagen online gestellt. Ein kleines Kind wird zu Soldaten geschickt, um diese zu beschimpfen, und dabei gefilmt, Bilder werden nachher mit Ton kombiniert. Inszeniert und gedreht wurde es am 22.6.2012 und seit dem 18.7.2012 ist es bei youtube zu bestaunen:

Zugrunde liegt offensichtlich eine Arbeit eines aktiven Propagandisten, der bei youtube mindestens 126 Videos aufgestellt hat. Fotos auf seiner Homepage (sie heißt Tamimipress) sind typisches Pallywood. Das Meiste widmet sich den israelischen Soldaten, der junge Kameramann, er heißt Mohammad Ataallah Tamimi, ist von ihnen wie besessen. Bei den anderen Reportagen sind auch israelhassende Kinder zu bewundern, aber unter anderem auch die Solistin des soeben vorgestellen Video:

Im Hintergrund kann man deutlich die üblichen Verdächtigen sehen, die eine Friedensbotschaft erwarten. Das Video liefert diese Botschaft wie gewünscht, youtube-Kommentare sind voll antiisraelischer Bemerkungen, eine erste amerikanische Verlinkung kommt am 19.7. und wirkt sehr zufrieden („A voice of truth and love“), deutsche Blogverlinkungen sind es noch viel mehr (z.B. bei der „Geldseite„, die sofort nach der heutigen Publikation auf die erste Seite bei wordpress.de schaffte und Begeisterung über den antiisraelischen Inhalt bei Kommentatoren hervorbrachte).

Das Video wird mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg haben. Trotz des miserablen Niveaus.

 

Beschneidungsdebatte im deutschen Bundestag

Die Debatte hat etwa 40 Minuten gedauert.

Den interessantesten und mutigsten Beitrag hat Volker Beck geleistet, insbesondere bei der spontanen Antwort auf eine Zwischenfrage. Später hat er seine Position noch einmal in seinem Blog dargestellt, wo er einen Sturm der Entrüstung erntete.

Sein Interview zum Thema bei der „Zeit online“ wird auch durch ähnliche Kommentare zugemüllt.

 

Schwierigkeiten mit der Islamophobie Mittwoch, 18. Juli 2012

In der neuesten Studie über die Islamophobie kommt Felix Strüning von der Stresemann-Stiftung zu der Schlussfolgerung (Link):

Das Wort »Islamophobie« kann daher nur als gezielter Kampfbegriff aufgefasst werden.

Er kritisiert Benz, Schiffer & C°, argumentiert leider nur kurz und eher polemisch. Dabei kommt es zu deutlichen logischen Fehlern wie z.B.:

Die Wahl von Schulen ohne kopftuchtragende Lehrerinnen und Muslim-freie Wohnviertel kann zugleich nur sehr bedingt als Ausgrenzung interpretiert werden.

Außerdem würde ich Resultate der Umfragen nicht als ultima ratio verwenden und noch dazu verschönern, indem man Werte um etwa 20% als gering bezeichnet. Die Sauberkeit der Methode wäre angebracht, um gegen Schiffer u.ä. zu gewinnen.

 

Schrecklicher Verdacht: Juden beschneiden ihr Männliches! Dienstag, 17. Juli 2012

Es gehört doch zu der Mentalität der Deutschen, alles zu regeln, in Paragraphen und Vorschriften. Die Aufklärung hat das begünstigt, im Positiven wie im Negativen. Jetzt wollen furchtbare Juristen das Jüdische Leben bestimmen, diesmal mit einer menschenrechtlichen Argumentation, mit Urteilen und Gesetzen. Das wäre nicht weiter schlimm, wäre es ein Hirngespinst geblieben. Aber die öffentliche Debatte hat sofort aufgezeigt, was der Kern der Sache ist, nämlich eine uralte Judenfeindlichkeit. Juristen merken das nicht und sind weiterhin auf sich stolz.

Zwei Beispiele.

Im Blog des Beck-Verlags sind Experten vom Fach unterwegs. Henning Ernst Müller von der Uni Regensburg hat zwei Postings dazu gestellt, er freut sich (Link):

Die nächsten Wochen und Monate dürften immerhin spannend sein: Selten kann man gesetzliche Regeln im Entstehungsprozess so intensiv verfolgen, selten gibt es  ist eine so große gesellschaftliche Debatte.

Er listet mögliche Paragraphen auf, argumentiert mit der „(knappen) Merheit der Bevölkerung“ und hat kein Problem mit antisemitischen Kommentaren zu seinen Beiträgen. Er denkt ja nur juristisch sauber, alles andere ist für ihn irrelevant.

Da darf auch Thomas Stadler, ein Anwalt für IT-Recht etc., nicht fehlen, mit einem ebenso sehr frequentierten Posting zum selben Thema und mit ähnlichen vernünftig-gesunden aufklärerischen Auslassungen über „Die Beschneidung des Rechtsstaats“. Was Juden dazu sagen, kann nur „unsachlich“ sein (Link):

Bei näherer Betrachtung zeigt sich also, dass wir hier von einem rituellen, nicht ganz unerheblichen körperlichen Eingriff reden, für den es keinen sachlich-wissenschaftlichen Grund gibt.

Jetzt kann man ruhig wieder Adorno und Horckheimer lesen und über die Dialektik der Aufklärung nachdenken. Ob die Ironie der Bundeskanzlerin über die „Komiker-Nation“ hilft? Putzke-Nation anstatt Piefke-Nation?

UPDATE: Noch ein Möchte-gern-Jurist, Andreas Moser, kann nicht schweigen, weil es ihn

als Juristen schmerzt, die unsachgemäße und unfundierte Diskussion über eine Gerichtsentscheidung mitverfolgen zu müssen.

Auch er will

 in die sachliche Diskussion einsteigen.

Das kling dann so: er will keinesfalls

das medizinisch nicht notwendige Abtrennen von Körperteilen für subsumtionsfähig

halten. Na so was!

Auch ein ganz großer Philosoph wie Julian Nida-Rümelin sieht die Sache vollkommen klar (Link):

… die jetzige Situation ist ungut, weil sie für die Mediziner ja ein juristisches Risiko beinhaltet.

Anders ausgedrückt:

Die Philosophie kann sehr deutlich machen, dass die These, dass, wenn es denn religiöse, magische Komplexe gibt, dass diese dann von jeder Kritik und juridischen, also rechtlichen Kontrolle freigestellt werden müssen, unverträglich ist mit den normativen Grundlagen, wie sie zum Beispiel im Grundgesetz stehen, der Demokratie.

Ein Bremer „Pirat“, Kreisvorsitzender Bremen-Hemelingen Robert Bauer, geht, wie es sich gehört, noch weiter (Link):

Ein brutales Ritual wird aber durch die Jahrhunderte nicht legitimer.

Der Staat setzt mit den Eltern Schutzbefohlene für das Kind ein. Diese agieren in aller Regel auch zum Wohle des Kindes. Natürlich meinen sie dies auch im Falle einer Beschneidung zu tun. Nur: Sie irren.

usw. Jeder Satz ist hier eine Perle. Großes Theater!

 

Ein Zukunftsszenario der Medien Sonntag, 15. Juli 2012

Filed under: Medien — peet @ 22:09 Uhr
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In seinem Blog bei posterous skizziert Thomas Koch die Perspektiven für Zeitungen, die guten und die schlechten. Er sieht im Zentrum der Entwicklung lokale Zeitungen. Er zitiert dabei Lars Haider, erzählt eine spannende Geschichte von Warren Buffett, um dann zum Eigentlichen zu kommen. Er wendet sich an die „Zeitungsfürsten“ (Link):

Zeitungen, Anzeigenblätter, Verteil-Organisationen, Websites, Radiosender.

Wann beginnen Sie endlich über Allianzen nachzudenken? Über echte Crossmedia-Angebote? Über Angebote, die Ihre Handelskunden übrigens längst fordern.

Ich denke, das ist tatsächlich ein gutes Rezept. Nur wenn Thomas Koch noch seine Zitaten verlinken würde…