Vor einigen Tagen habe ich eine freiwillige Sprecherin der Hamas in Andrea Nüsse zu erkennen gemeint. Heute bei Heise erschien mir noch ein Hamas-Korrespondent, diesmal Peter Schäfer. Das droht eine Tendenz zu werden. Arabisten, die in der islamistischen Umgebung arbeiten, wollen sich nicht kritisch, sondern solidarisch stellen, erlauben sich keinen Kommentar und geben als eigene Meinung die Propaganda der Hamas weiter an den unschuldigen deutschen Leser. Wie kann das sein? Zuerst ein paar Beispiele.
Die Hamas wird von der westlichen Staatengemeinschaft boykottiert. Der Eindruck entsteht, dass die Hamas für die innenpolitische Unsicherheit verantwortlich ist.
Der bekannte Umkehrschluss: Weil die Hamas boykottiert wird, entstehe der Eindruck, die Hamas sei veranwortlich für den Chaos in der Palästinensischen Autonomie. Also nicht von der Realität zu der Schlussfolgerung, sondern andersrum. Die ganze Welt sagt: Die Hamas tut nicht das, was eine Regierung tun muss, deswegen soll sie boykottiert werden. Die Hamas und Peter Schäfer sehen das anders, genau umgekehrt.
Hamas-Kader schlugen moderatere Töne an. Etwa seit 2002 lässt man immer wieder durchblicken, dass eine palästinensische Staatsgründung in den von Israel 1967 besetzten Gebieten – also in 22 Prozent des historischen Mandatsgebiets – durchaus in Betracht komme. „Wir sind dazu bereit“, so Samir Abu Aische, der neue Planungsminister, „unser System innerhalb der Grenzen von 1967 aufzubauen. Wenn die Israelis unser Recht zu einem solchen Staat anerkennen, dann können wir über die nächsten Schritte diskutieren.“
Hier, wie an vielen anderen Stellen, baut Schäfer an dem friedliebenden Bild der Hamas. Die Auflistung der Originaläußerungen zeigt die Wahrheit, nämlich, nach dem altbekannten Vorbild Arafats erzählen Hamas-Politiker jedem auswärtigen Zuhörer, was er hören will. Und bei sich zu Hause wird Klartext gesprochen:
Khaled Mashal, Al-Rai Al-Aaam, 26. März 2006:
„Nein zu Verhandlungen mit Israel, Nein zur Anerkennung Israels und Nein zur Aufgabe palästinensischer Rechte”.Ismail Haniyeh, palästinensischer Ministerpräsident, in der arabischen Zeitung Alsharoq, am 1. März 2006:
„Zu den Grundlinien unserer neuen Regierung gehört es, dass wir uns nicht den Bedrohungen der internationalen Gemeinschaft ergeben und wir die Anerkennung Israels ablehnen“.Mahmoud Al-Zahar, palästinensischer Außenminister, am 3. März 2006:
„Ich träume davon, eine große Weltkarte in meinem Haus in Gaza aufzuhängen, auf der Israel nicht erscheint.“
Genauso wird die aktuelle Geschichte über den vorerst gescheiterten Versuch der Hamas ausgemalt, einen Terroristen zum Befehlsinhaber der neuen Truppe zu ernennen. Schäfer geht aber noch weiter:
Extremisten von Fatah und Islamischer Dschihad werfen der Hamas aber jetzt vor, nicht mehr für die Sache Palästina zu kämpfen. Der Selbstmordanschlag des Dschihad von vor zwei Wochen in Tel Aviv wurde von der Hamas deshalb als „Selbstverteidigung“ bezeichnet, obwohl man die Tat nicht begrüßte.
Die Hamas wird also im Laufe des Artikels so moderat, dass die Fatah im Vergleich zu ihr zu Extremisten bestempelt werden darf. In der Wahrheit bleibt die Hamas so wie sie war:
Ahmad Al-Jaabari, auf der Hamas-Website, am 5. April 2006:
„Unser (gewaltsamer) Widerstand in Palästina wird fortgesetzt und wird unter keinen Umständen beendet werden. Die Al-Qassam-Brigaden werden den Marsch für die totale Befreiung des Bodens ihrer geliebten Heimat Palästina vom Mittelmeer bis zum Jordanfluss fortsetzen.“
Nur will Peter Schäfer davon nichts erzählen. Das Schönste erzählt er aber fast am Schluss:
Die Fatah übernimmt so die Haltung der internationalen Gemeinschaft.
Das ist aus der Sicht von Peter Schäfer ganz schlimm, genauso wie aus der Sicht der Hamas:
Der jetzige breite Boykott des Wahlsiegers allerdings ist kein gutes Aushängeschild für die westliche Auslegung von Demokratie.
Peter Schäfer schreibt in diesem Stil für viele deutsche Zeitungen, u.a. für die „Junge Welt“, „Neues Deutschland“. Für seinen anderen Arbeitgeber, die Friedrich-Ebert-Stiftung findet er einen anderen, ausgeglicheneren Ton. Von Arafat lernen – unterschiedliche „Wahrheit“ sagen lernen?.. Kein gutes Aushängeschild, in der Tat.
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